Möwen-Schlafplatzzählungen
in Münster
von Johannes
Wahl
Adulte
Lachmöwe im Schlichtkleid. Foto: Benjamin Steffen
Mit der allmählichen Auflösung der Kolonien zum Ende
der
Brutzeit finden sich Möwen allabendlich an
Schlafplatzgemeinschaften ein, die teilweise mehrere Zehntausend
Individuen umfassen können. Diese Schlafplätze
befinden sich
fast immer auf Gewässern, die oft über Jahrzehnte
beibehalten
werden und die große Einzugsbereiche besitzen
können: 20 km
dürften bei den meisten die Regel sein, aber auch Flugstrecken
bis
40 km werden regelmäßig erreicht. Tagsüber
suchen sie
oft fernab von Gewässern nach Nahrung und wechseln dabei auch
über mehrere Kilometer zwischen Fressplätzen und
Komfortgewässern. Nur mit sehr großem Aufwand lassen
sich
daher während des Tages repräsentative
Gesamtbestände
für eine Region ermitteln. Schlafplatzzählungen sind
daher
nicht nur die effektivste, sondern oftmals auch die einzige
Möglichkeit, belastbare Gesamtbestände zu ermitteln.
Jeden
Winter finden daher – in NRW seit 1993/94 und deutschlandweit
seit
2003/04 – an zwei Terminen synchrone
Schlafplatzzählungen statt.
Der erste Termin ist immer Anfang Dezember, der zweite Ende Januar.
Auch in Münster überwintern mehrere Tausend
Möwen, die
sich vor allem in den Rieselfeldern und am Aasee, in geringeren
Anzahlen auch im Hafen sammeln. Gerade am Aasee, wo sich der
Großteil der Lachmöwen einfindet, lässt
sich das
abendliche Sammeln sehr gut beobachten. Sie übernachten dort
allerdings nicht, sondern fliegen nach Einbruch der Dunkelheit an einen
derzeit unbekannten Platz. In den Rieselfeldern sammeln sich v.a. die
Großmöwen, wo sie vermutlich auch die Nacht
verbringen.
Ergebnisse
Silbermöwe (2001-2008)
Ergebnisse
Lachmöwe (2001-2008)
Ergebnisse
Sturmmöwe (2001-2008)

Ergebnisse der Zählung vom 24. Januar 2009.
Zähler: Anna-Marie Jess, Holger Lauruschkus, Hella Lemke, Oliver Piepgras, Johannes Wahl
Früher war alles
besser …
Bis zum Winter 2004/05 war das Bild allerdings noch ein ganz anderes.
Abends kamen neben den Lachmöwen Tausende von
Großmöwen
zusammen, die tagsüber auf den Deponien in Coerde und
Altenberge
reichlich Nahrung fanden. Doch Ende Juni 2005 war Schluss damit: die
offene Ablagerung von unbehandeltem organischem Müll (u.a.
Hausmüll) war nicht mehr erlaubt, sondern musste vorbehandelt
werden. Die Wurstreste und halben Koteletts, die bei uns in den
Müll wanderten, wandern seither nicht mehr direkt auf die
Kippe.
Der zuvor reich gedeckte Tisch war von einem Winter auf den anderen
leer, weshalb mittlerweile höchstens noch einige Hundert
Großmöwen den Winter in Münster verbringen.
Alle Möwengucker (und den Möwen geht’s da
wohl ähnlich)
sehnen sich nach diesen Tagen zurück, denn damals war einfach
wesentlich mehr geboten – nicht nur bezüglich der
Anzahlen: man
konnten nach beringten Möwen Ausschau halten (ein Abend ohne
Ablesung war eine Ausnahme) und die Bestimmung der
Großmöwen
hervorragend trainieren, denn neben den zu Tausenden anwesenden
Silbermöwen mischten sich regelmäßig
Herings-,
Mittelmeer-, Steppen- und ab und an auch Mantelmöwen darunter.
Da
alle Großmöwen Vierjahresmöwen sind, also
erst nach
vier Jahren das Altvogelkleid tragen, kann man sich gut vorstellen, was
für einen bunten Mix aus verschiedenen Arten und
Alterskleidern
man vor sich hatte. Das war jeden Abend Vogelquiz live!
Die Lachmöwen beeindruckten die Veränderungen in der
Kippenlandschaft offensichtlich herzlich wenig. Ihre
Winterbestände haben sich kaum verändert.
Sturmmöwen
sind dagegen in Münster meist nur mit wenigen Individuen
anzutreffen. Nur nach Kälteeinbrüchen auftauchen sie
– dann
aber in der Regel auch nur für wenige Tage – in
größerer Zahl bei uns auf (wie im Januar 2006, als
es kurz
zuvor plötzlich kalt wurde).
Die Ergebnisse der Schlafplatzzählungen werden auch
deutschlandweit alljährlich ausgewertet und sind in den
Wasservogel-Rundschreiben des DDA zu finden. Diese können als
PDF
unter www.dda-web.de
-> Monitoring -> Möwen heruntergeladen
werden.
Wer Interesse hat, bei Zählungen mitzumachen –
vielleicht auch nur, um mal Möwen-Schlafplatzluft zu
schnuppern – kann
sich gerne an
wenden.